Hi, ich heiße Larissa Halm, bin 26 Jahre alt und möchte euch heute die Geschichte von mir und meiner 18-jährigen Stute Boston erzählen.
Alles begann mit einem Versprechen meiner Eltern, von dem sie sehr wahrscheinlich dachten, es nicht einhalten zu müssen. Ich hatte meine Eltern mit dem Wunsch ein eigenes Pferd zu besitzen schon so in den Wahnsinn getrieben, dass sie sich darauf einließen mir meinen Wunsch zu erfüllen, sollte ich zu meiner Konfirmation immer noch eine so begeisterte Reiterin und gute Schülerin sein. Ich hielt mich an die Abmachung, sodass meinen Eltern nichts anderes übrig blieb als mit mir auf Pferdesuche zu gehen. Mehrere Pferde haben wir angeschaut und zum Teil auch ausprobiert, aber es war nie das Richtige dabei. Dann erweckte eine Internetanzeige unsere Aufmerksamkeit – hübsche braune Stute, 6 Jahre, 1,70m Stockmaß. Wir suchten zwar genau das Gegenteil, aber nach drei Besuchen und einer erfolgreichen Ankaufsuntersuchung, durfte ich Boston mein eigenes Pferd nennen!
Wir verbrachten unsere ersten gemeinsamen Jahre auf der Reitanlage in Einbeck. In dieser Zeit lernten wir uns kennen, wuchsen zu einem Team zusammen und entwickelten uns gemeinsam weiter. Springen war unser Element! Boston hatte durch und durch ein Springerherz und brachte mich sicher über jedes Hindernis. Wir nahmen an Turnieren teil und sammelten die ein oder andere Schleife. Besonders die Siegerehrungen machten ihr Spaß, dort wusste sie sich gekonnt in Szene zu setzen. Nach zwei Sehnenschäden mussten wir aber leider den Springsport komplett an den Nagel hängen. Für die Gesundheit meines Vaters, der auf den Turnieren immer vor Aufregung zum Kettenraucher wurde, wahrscheinlich ein Segen. Doch meiner Stute, deren Herz bereits beim Anblick eines Sprunges schneller schlug, ihren geliebten Springsport zu nehmen, brach mir das Herz. Mit Dressurarbeit stieß ich bei ihr auf wenig Begeisterung und auch für mich war Dressur immer nur ein notwendiges Übel gewesen. Boston und ich fanden unsere Freude in langen, ausgedehnten Ausritten und so kam es, dass wir mit einer größeren Gruppe Reitern samt Pferden vom Reitverein aus für ein langes Wochenende nach Cuxhaven fuhren um durch das Watt nach Neuwerk zu reiten. Ein unvergessliches Erlebnis! Meine Mutter erzählt noch heute, dass wir alle trotz komplett vom Regen durchnässter Klamotten bis über beide Ohren gestrahlt haben. Auch die Heide erkundeten Boston und ich gemeinsam – was für schöne Urlaube! Reitwege so weit das Auge reicht, Pferdeteiche zum Plantschen und herrliche Naturlandschaften. In einem dieser Urlaube fand sie ein auf einer Koppel liegendes Halfter und brachte es doch tatsächlich im Maul haltend zu uns. Wie von einem Hund apportiert! Eine Szene, die uns immer in Erinnerung bleiben wird!
Aufgrund des zweiten Sehnenschadens wechselten wir dann den Stall und Boston wurde in einem Offenstall mit nächtlicher Boxenhaltung in unserem Wohnort untergebracht. Sie stand in diesem Stall mit einer weiteren Stute zusammen, doch die Beiden mochten sich nicht, sodass wir sie nach einiger Zeit räumlich trennen mussten. Durch diesen eingeschränkten Sozialkontakt fand Boston plötzlich an mir Gefallen als ihre Spielkameradin. Sie war nie ein verspieltes Pferd gewesen; gab mir deutlich zu verstehen, dass sie auf Zirkuslektionen keinen Bock hatte, doch plötzlich konnte ich sie dafür tatsächlich begeistern. Sie lernte beispielsweise zu apportieren, spielte mit mir Jagen und Fangen und begann mit dem spanischen Schritt. Mit der Zeit wurde sie jedoch immer dünner, die Rippenknochen kamen zum Vorschein und sie war kaum noch für etwas zu begeistern, war fast schon depressiv. Jegliche Therapien unseres Heilpraktikers oder Tierarztes brachten keine Besserung. Rückblickend betrachtet können wir mit Bestimmtheit sagen, dass sie einfach vereinsamte. Ihr fehlten andere Artgenossen mit denen sie sich verstand.
Also ließen wir Boston ein weiteres Mal umziehen, dieses Mal in eine Herde mit vielen Sozialkontakten und Bewegungsfreiheit – nach Hoppensen in den Aktivstall. Hier päppelten wir sie nach und nach wieder auf. Aber auch dort riss die Krankheitsserie leider nicht ab. Es folgten noch ein Fesselträgerschaden, Hufgeschwüre und -prellungen sowie mehrere Koliken. An eine dieser Koliken kann ich mich noch ganz genau erinnern. Allein der Gedanke an diesen Tag schnürt mir die Kehle zu und zwingt mich die Tränen zu unterdrücken. Boston ging es so schlecht, dass sie kaum zwei Schritte gehen konnte, bevor sie sich wieder schmerzerfüllt auf den Boden warf. Es war so schrecklich für mich, mein Pferd so leiden zu sehen! Ich hatte wahnsinnige Angst sie einschläfern lassen zu müssen. Sie war zu dem Zeitpunkt bereits 10 Jahre Teil meines Lebens gewesen. Ich konnte es mir ohne sie einfach nicht mehr vorstellen. Diese Stute hatte mit mir schon so viele Lebensabschnitte durchlebt: Meine Pubertät, meine erste Liebe, den Tod unseres Familienhundes, mein Abitur, meine Ausbildung, Liebeskummer. Sie ist und bleibt für mich ein ganz besonderes Pferd, auch wenn ich die Hälfte unserer gemeinsamen Zeit nur ihre Krankenpflegerin gewesen bin.
Seit 2017 ist Boston nun auf der Reitanlage am Rittergut zuhause und mischt ihre Herde gern das ein oder andere Mal mit ihren Zickereien und Giftereien auf, aber man merkt wie zufrieden und ausgeglichen sie dort ist. Auch ich fühle mich in der dortigen Stallgemeinschaft sehr wohl, sogar Freundschaften sind daraus schon entstanden und ich hoffe, dass ich mit meiner Stute noch weitere schöne und vor allem gesunde Jahre in Hoppensen verbringen werde!
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